Ein Goldhut der Bronzezeit

Goldhut

Das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte plant wieder in das Stülersche Neue Museum zurückzukehren, wo es als "Sammlung nordischer Alterthümer" Mitte des 19. Jh. schon einmal seinen Platz hatte. Noch gemahnt der "Vaterländische Saal" mit seinen historischen Wandbildern eindringlich an diese relativ kurze Episode in der wechselhaften Geschichte des Museums. Die Zeugnisse bronzezeitlicher Religion werden in dem gut erhaltenen Sternsaal in mythischem Flair ausgestellt werden. Das Hauptwerk ist der Goldhut, ein 74,5 cm hoher Hohlkörper mit langem, kegelförmigem Schaft, einer 10 cm hohen Schrägung und einer schmalen Krempe aus papierdünnem, in einem Stück nahtlos getriebenem Goldblech. Die mit 10% Silber hergestellte Goldlegierung wiegt einschließlich der bronzenen Verstärkungen nur 450 g. Die Schrägung, auch Kalotte genannt, würde mit einem Futter aus Filz oder Leder einer Hutgröße 56 entsprechen. Der Goldhut wurde in 21 horizontalen Zonen mit 21 unterschiedlichen Werkzeugen verziert. Hauptmuster sind Buckelscheiben mit konzentrischen Kreisen, die regelmäßig ohne Überschneidungen von außen in das Goldblech gedrückt wurden. Derartige Muster sind bereits von den goldenen Trinkschalen der Bronzezeit bekannt, bspw. bei den Schalen des berühmten Goldfundes vom Messingwerk in Eberswalde, die als Kriegsbeute noch immer im Moskauer Puschkin-Museum zurückgehalten werden. Zur Zeit werden die Systematik im Ornament, die Rhythmik der Musterabfolgen und die Zahlensymbolik, bei der die 19 eine Schlüsselrolle zu spielen scheint, untersucht. Ein Kreis der Scheibensymbole scheint immer einen Tag zu bedeuten, denn bei der Addition der Ringe stempelgleicher Muster ergeben sich mehrfach als Summen 354 oder 365, die Zahlen der Tage eines Mond- bzw. Sonnenjahres. Zählt man so alle Zeichen zusammen, ergibt sich ein synchrones lunisolares Kalenderwerk für 57 Monate. Multipliziert man in Kenntnis der Schaltjahre diese Zahl mit 4, so ergeben sich 228 Sonnenmonate, die den auf dem Goldhut ebenfalls auffindbaren 235 synodischen Monaten und damit einem Mondcyclus von 19 Jahren entsprechen. In Mitteleuropa war somit der 19jährige Mondcyclus schon lange bekannt, lange bevor dieser in Griechenland 432 v.Z. durch Meton von Athen astronomisch berechnet wurde.
Da der Fund aus dem Handel erworben wurde, ließ sich der Fundort nicht mehr feststellen, jedoch wird Süddeutschland angenommen. Neben dem Berliner Exemplar gibt es drei weitere in Avanton bei Poitiers, Schifferstadt bei Speyer und Ezelsdorf-Buch nahe Nürnberg. Alle Exemplare waren einzeln und vermutlich aufrecht stehend im Boden vergraben gewesen. Prof. Wilfried Menghin, Direktor des Museums, würdigt den Hut so: "Der Berliner Goldhut ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Zauberhut. Wer ihn besaß und seine Zeichen zu deuten imstande war, beherrschte die Zeit und damit seine Kultgemeinschaft. Der Magier, wahrscheinlich Priester und Herrscher in einer Person, wußte die Feste nach dem Lauf von Mond und Sonne festzulegen. In den göttlichen Emblemen des Kegelhutes manifestiert sich nicht nur der astrale Bezug des Kalendersystems. Die Zeichen erhöhen den Träger der goldenen Tiara zum Herren der Zeit."

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